Freitag, 16. September 2022

Herbst Melancholie

 

Nebelschwaden sinken nieder
auf den Wald und auf den See,
längst verblüht ist der Sommerflieder,
bald schon folgen Eis und Schnee.

Golden leuchten nun die Blätter
in des Herbstes blassem Schein.
Herbstlaub in den schönsten Farben
verkünden, der Sommer ist vorbei.

Innige Sehnsucht, stilles Klagen,
mit dem Herbstwind durch die Bäume zieht.
Es wird kühler an diesen Tagen,
die Hitze des Sommers ist verglüht.

Melancholisch wird jetzt manche Stunde,
eine leise Wehmut macht sich breit.
Geheilt ist so manche Seelenwunde,
doch die Erinnerung, sie bleibt.

© Ursula Evelyn

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Foto: Pixabay

Heiter und gelassen sein


 
 
Diese Stille, diese Ruhe des Sees wirkt so entspannend auf den Geist
und die Seele. Nicht der Hauch einer Brise regt sich in der milden
Sommerluft. Nur die Ruhe ist zu spüren, nur die Natur zu fühlen und
der eigene Atem wahrzunehmen. Nichts bewegt sich an diesem Fleckchen
Erde. Selbst die Vögelchen scheinen verstummt zu sein. Kein Lärm,
nicht einmal aus der Ferne dringt Lärm bis zu diesem Fleckchen Natur
vor.
Welch ein Frieden!

Es wirkt beinahe unwirklich, dieses Fleckchen Natur, so außerirdisch,
so, als würde es nicht zu dieser Welt gehören. Es ist so still, so
regungs- und bewegungslos, so in Ruhe gelassen, weil es noch nicht
von Menschen überrumpelt und von ihnen zerstört wurde. Noch ist es
sich selbst überlassen, darf es sein, was es ist - ein unberührtes
Fleckchen Natur inmitten einer aus den Fugen geratenen Welt. Einer
Welt, die zu einem Tollhaus verkommen ist. Einer Welt, in der
Menschen die Natur, das Leben und den Lebensraum anderer Menschen
zerstören, ja sie sogar töten. Einer Welt, in der die Hoffnung auf
Frieden mit jedem Tag der vergeht, ein bisschen mehr schwindet.
Ach, könnten Menschen doch auch mal so ruhig und klar sein, wie
dieser See.
Könnten sie doch einfach mal still sein und schweigen, wie diese
Natur und sich fragen, ob das, was sie tun, auch mit ihrem Gewissen
vereinbar ist. Sie könnten sich selbst wahrnehmen, das Leben fühlen
und auf die Stimme ihres Herzens und ihrer Seele hören. Würden sie
nur eine Weile den Anblick dieser friedlichen Natur in sich aufsaugen,
sie würden ihren Kopf von allen trüben Gedanken befreien können und
ganz ruhig werden. Sie könnten sich wieder auf das Wesentliche
besinnen, sich von ihrer inneren Unruhe und ihrer Rastlosigkeit,
von allem, was ihre Gedanken vernebelt befreien und aus ihrem trüben
Gedankensumpf, in dem sie versunken sind, wieder auftauchen, bis sie
so still und klar werden, wie dieser ruhige See inmitten dieser
stillen, friedlichen Natur.

Nur wer sich Zeit nimmt, für heilsamen Erholungspausen, indem er mit
Körper, Geist und Seele in die friedliche Natur eintaucht, der wird
eine innige Freude empfinden, die zu einer heiteren Gelassenheit
führt und ihn mit tiefer Demut und Dankbarkeit erfüllen.

Menschen, die heiter und gelassen sind, können jeden Tag ein Fest
für die Sinne feiern - trotz aller Widrigkeiten in dieser Welt.
Und wenn die Menschheit lernte, öfter zu schweigen und sich wieder
auf Werte und das Wesentliche zu besinnen, wer weiß, vielleicht
würden dann eines guten Tages auch die Waffen schweigen.

Wenn bloß das Wörtchen "wenn" nicht wäre !

*

Es gibt eine Stille,
in der man meint,
man müsse die einzelnen Minuten hören,
wie sie in den Ozean
der Ewigkeit hinuntertropfe
Adalbert Stifter
 
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Text: © Ursula Evelyn
Bild: Pixabay
 

Die fünfte Jahreszeit



Wenn der Sommer vorbei ist und die Ernte in die Scheuern gebracht ist, wenn
sich die Natur niederlegt, wie ein ganz altes Pferd, das sich im Stall hinlegt,
so müde ist es - wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe
Herbst noch nicht angefangen hat - dann ist die fünfte Jahreszeit.

Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an; an andern Tagen atmet sie unmerklich
aus leise wogender Brust. Nun ist alles vorüber: geboren ist, gereift ist,
gewachsen ist, gelaicht ist, geerntet ist - nun ist es vorüber .
Nun sind da noch die Blätter und die Sträucher, aber im Augenblick dient das zu
gar nichts; wenn überhaupt in der Natur ein Zweck verborgen ist: im Augenblick
steht das Räderwerk still. Es ruht.

Mücken spielen im schwarzgoldenen Licht, im Licht sind wirklich schwarze Töne,
tiefes Altgold liegt unter den Buchen, Pflaumenblau auf den Höhen ... kein Blatt
bewegt sich, es ist ganz still. Blank sind die Farben, der See liegt wie gemalt,
es ist ganz still. Ein Boot, das flußab gleitet, Aufgespartes wird dahingegeben - es ruht.

So vier, so acht Tage - Und dann geht etwas vor. Eines Morgens riechst du den
Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar
nichts geändert - und doch alles.
Noch ist alles wie gestern: Die Blätter, die Bäume, die Sträucher ... aber nun
ist alles anders....

Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht,
es solle nie, nie aufhören... Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen
beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre.

Es ist die fünfte und schönste Jahreszeit.
 
Tucholsky, Kurt (1890 - 1935)
 
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Foto: Pixabay

Montag, 5. September 2022

Der scheidende Sommer

 

 

Das gelbe Laub erzittert,

Es fallen die Blätter herab;

Ach, alles was hold und lieblich,

Verwelkt und sinkt ins Grab.

 Die Gipfel des Waldes umflimmert

Ein schmerzlicher Sonnenschein;

Das mögen die letzten Küsse

des scheidenden Sommers sein.

 Mir ist, als müßt ich weinen

Aus tiefstem Herzensgrund;

Dies Bild erinnert mich wieder

An unsere Abschiedsstund'.

 Ich mußte von dir scheiden,

Und wußte, du stürbest bald;

Ich war der scheidende Sommer,

Du warst der sterbende Wald.

 

Heinrich Heine

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